Immergrün Verlag

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»Die Bücher von heute sind die Taten von morgen.« H.Mann

Thesen zur Diskussion »Männlichkeitskritik organisiseren!?«

Die Thesen sind aus: »Eine kleine Männergeschichte. Thesen und ein paar Erfahrungen zum Thema ›Autonomie – Patriarchat – Organisation‹« (Männerrundbrief Nr. 6)

These I:
Hinter jeder Männergruppe steht »die« Frauenbewegung

Mir ist kein Fall eines Mannes bekannt, der von sich sagen könnte, »von sich aus« erkannt / erfahren zu haben, dass das Patriarchat an sich eine Riesensauerei und sein konkretes patriarchales Verhalten nicht nur Ausdruck dieser Sauerei ist, sondern aktiv und ursächlich Unterdrückung umsetzt bzw. organisiert.[…]

These II:
In jeder Männergruppe liegt die Chance, aus dem
äußeren Anstoß einen inneren Antrieb zu machen –
ohne subjektiven Entschluss läuft aber nix.

Die (immer noch wenigen) Männergruppen, die allein aufgrund des oben genannten äußeren Anstoßes gebildet wurden bzw. als Männer-Rest einer vorher gemischten Gruppe übrig blieben, hatten keine lange Dauer. Entweder es handelt sich dabei sowieso nur um Pseudo-»gruppen«, die die Aufgabe haben, eine Schamfrist verstreichen zu lassen, um sich dann wieder in anderen Gruppen / Projekten
/ Städten einzumischen (die wohl am weitesten verbreitete Art von »Männerorganisierung«). Oder die Gruppe hatte als einzigen Stachel das individuelle »Schuld«-Gefühl der Beteiligten, das »beglichen« werden sollte. Aus Schuldgefühlen kann zwar vielleicht etwas mitmenschlicheres Verhalten erwachsen, was einigen Männern sicher auch schon gut tun würde, jedoch keine tragfähige politische Motivation. »Schuld« ist keine politische Kategorie.[…]

These III:
»Wir können auch anders« – »Befreiung vom Patriarchat« ist aus Männersicht zunächst eine »Geschmacksfrage«

Ein Ausstieg aus dem »Projekt »Befreiung vom Patriarchat« ist für Männer jederzeit möglich. In der patriarchalen Gesellschaft, egal ob in deren bürgerlichen oder antibürgerlichen, um oder gegen vermeintliche Gruppen»identitäten« wie Nation / Ethnie / Geschlecht gebildeten Teilbereichen, gibt es genügend »Einstiegsmöglichkeiten« für Männer. Auch auf der untersten gesellschaftlichen Ebene und auch nach womöglich jahrelangem Engagement gegen Hierarchie und Herrschaft gibt es noch Privilegien, die sich Männer aneignen können, wenn sie sich »ganz normal« wie die anderen (rechten oder linken) Männer in ihrem Umfeld verhalten.[…]


These IV:
»Auf den »eigenständigen Männerstandpunkt« ist kein Verlass

Es geht um das Verhältnis von Männerorganisations-Versuchen mit antipatriarchalen Ansprüchen zu »der« feministischen Bewegung allgemein. […] In der Debatte seitdem wird weniger darum gestritten, ob Männer und Frauen qua Dasein als Männer und Frauen im Patriarchat unterschiedlich handeln können / sollen / müssen, sondern es wird darüber gestritten, ob sie qua Dasein im Patriarchat dieses unterschiedlich erkennen / analysieren können. Die Position des »eigenständigen Männerstandpunktes« behauptet, wenn auch nicht unbedingt so scharf formuliert, letzteres, »die« feministische Analyse von Frauen wird als
in Männerfragen notwendig blind bezeichnet. Theorien und Konzepte antipatriarchaler Männerpolitik könne nur von diesen selbst, eben durch »eigenständige Männerstandpunkte« entwickelt werden.[…]

These V:
Auch ohne »eigenen Männerstandpunkt« kann Männerorganisierung »Lust auf Befreiung« wecken

Männergruppen können, wenn es gut läuft, mehr sein als »Organisierung ohne Frauen«. […] Wir hatten einen Raum, um über Schwächen, Ängste, Wut, Hass und politische Ohnmachtsgefühle genauso wie Machtphantasien zu REDEN. Wir mussten vor uns keine Show, keinen »Bluff« abziehen. Mit der Zeit entsteht so mehr Selbstvertrauen, auch öffentlich gegen den Mainstream (auch der Szene) anzuschwimmen. In diesem Sinne wird »Befreiung« zu einem Prozess, der auch am eigenen Leibe zumindest geahnt werden kann – und das motiviert mich zumindest mehr als jede Kopfgeburt von der »revolutionären
Pflicht«. Ich denke, dass diese Erfahrung von Männern nur in einer Männergruppe gemacht werden kann. Und in diesem Sinne kann nur eine zumindest phasenweise immer wieder praktizierte Männer(gruppen)organisierung verhindern, was These III behauptete, dass antipatriarchale
Befreiung für Männer eine »Geschmacksfrage« bleibt.[…]

These V:
Die Männergruppe ist notwendig ein »geschützter
Raum«, was nicht davor bewahrt, diesen »Schutz« gegen
feministische Positionen zu wenden.

Wie gesagt ist der »geschützte Raum« eine Notwendigkeit, um Lust auf und Interesse an »antipatriarchaler Befreiung « zu entwickeln. Dies ist jedoch eine ambivalente, zu verschiedenen Entwicklungen hin offene Struktur: Männer können aus dem »geschützten« ohne weiteres einen »Freiraum« machen, den sie dann zu Lasten anderer, z. B. feministischer Interessen an mehr »Freiräumen«
durchsetzen. Diese Vorgehensweise ist im übrigen ja fast typisch »autonome Politik«. Wieviele autonome Projekte beschäftigen sich eigentlich damit, »Freiräume« zu erkämpfen, ohne zu fragen, für wen? […] MÄNNERORGANISIERUNG MUSS SICH DESHALB AM
STAND, ZIELEN UND KRITIK FEMINISTISCHER ORGANISIERUNG ORIENTIEREN. […]

Schlussthese:

»Profeministische«, d. h. heute in erster Linie an der Stärkung von Frauenmacht interessierte und orientierte Männerorganisierung von Gruppen und Einzelnen ist also kein Patentrezept, bleibt aber eine unverzichtbare Etappe auf dem Weg zur herrschaftsfreien Gesellschaft!